Das WURZELWERK e.V. – eine mehr als dreißigjährige Geschichte
1994, am 1. März, trafen sich neun Gründungsmitglieder in einer Wohnung im Bezirk Prenzlauer Berg. Das Ziel: Bioprodukte zu einem erschwinglichen Preis für Geringverdienende zugänglich zu machen. Gesagt getan – es wurde ein Verein gegründet und Mitglieder geworben; am Boxhagenerplatz ließ sich ein Souterrainladen anmieten. Die Mitglieder gaben eine Einlage von 50 bis 100 Mark und damit wurden Waren, vornehmlich Gemüse, eingekauft. Jeder wog sein frisches Zeug im Laden selber ab und das Gekaufte wurde mit der persönlichen Einlage verrechnet. Vereinsmitglieder erledigten die Arbeiten freiwillig, für die Arbeitseinsätze gab es einen Plan. Ladenpreis nahe Einkaufspreis: Nur eine kleiner Betrag wurde für die Unkosten einbehalten. Die Sache lief. Eine andere Ökonomie war auf den Weg gebracht. Es folgte der Umzug in die Finowstraße und damit kamen Schwierigkeiten mit dem Finanzamt: Da dem Verein die Gemeinnützigkeit nicht zuerkannt wurde, musste ein Geschäft begründet werden.
1998 wurde die noch heute bestehende Konstruktion geschaffen mit einer GmbH und dem Verein im Hintergrund; das Wurzelwerk zog in die Oderstraße Nr. 10, wo einer der Läden noch heute angesiedelt ist. 50.000 Mark mussten die Vereinsmitglieder zur Gründung der GmbH aufbringen. Das gelang, weil nicht wenige mehr als die geforderten 100 Mark vorstreckten. In der frisch renovierten Ladenwohnung mit einer sehr moderaten Miete nahm das neue Geschäft an Fahrt auf. Jetzt arbeiteten schon Personen bezahlt im Laden. Dennoch kam es zu Schulden gegenüber Lieferanten, auch die Finanzkrise 2008 schlug zu Buche und zwang den Laden in die Knie. Schon hatte die Mitgliederversammlung des e. V. die Auflösung beschlossen, da tauchte in letzter Minute noch eine rettende neue Geschäftsführung auf.

Rettung in letzter Sekunde
2009 übernahm Rainer Moritz die Geschäftsführung des fast insolventen Ladens. Er brachte das notwendige kaufmännische Wissen, Erfahrung und Engagement mit, um den Laden zusammen mit den anderen Mitarbeitenden langsam wieder in die grünen Zahlen zu bringen. Dabei kam dem Projekt auch eine eigensinnige Werbung zu Hilfe. Ein Vereinsmitglied plakatierte ihr Lastenfahrrad mit dem Spruch „Mit 15 zu jung zum Sterben“. Diese irritierende Losung führte im Kiez zu vielen Gesprächen und zu neuen Mitgliedschaften. Die Möglichkeit der preisgünstigen Übernahme von Sortiment und Einrichtungsgegenständen eines schließenden Bioladens am Stadtrand half auch, den Laden zu konsolidieren. Ein lange ruhige Zeit mit den üblichen kleinen Auf und Abs begann.
2011 expandierte das WURZELWERK: in der Kaskelstraße konnte ein zweiter Laden eröffnet werden, der bis heute floriert. Eine kluge Planung, da dieser in einer Einkaufswüste platziert ist. Seit Jahren verstärken junge Menschen über ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) die Läden.

2020 im Corona-Jahr waren die Umsätze auf Grund der Einschränkungen im öffentlichen Leben, der Schließungen von Kitas und Home Office sehr gut – alle aßen und kochten zu Hause. Im Jahr davor waren die Geschäfte schlechter geworden und nach Corona wurden sie es auch wieder.
2024 gab es einen Wechsel in der Geschäftsführung. Dankenswerter Weise gibt der scheidende Geschäftsführer in dieser Übergansphase sein Wissen an den Neuen weiter. Sinkende Kaufkraft der Mitglieder und geringere Einnahmen führen zu den gegenwärtigen Herausforderungen, das vereinsgetragene WURZELWERK fortführen zu können.
Heute die älteste Bio-Einkaufsgemeinschaft in Friedrichshain
Heute können alle in den beiden Läden einkaufen, die Vereinsmitglieder über ihren monatlichen Vereinsbeitrag, zu reduzierten Preisen. Die Philosophie der Läden – angestoßen durch ihre Gründungsmitglieder, aufgenommen durch Freiwillige, fortgeführt durch die späteren Mitarbeitenden und Vereinsmitglieder – nur so viel Gewinn zu erwirtschaften, dass laufende Kosten und Löhne bezahlt werden können, und so Biowaren zu reduzierten Ladenpreisen auch für wenig finanzkräftige Käuferinnen und Käufer anbieten zu können, haben die Bio- und Einkaufskultur in Kiez und Bezirk nachhaltig geprägt. Damit wurde eine andere, nicht gewinnorientierte Ökonomie realisiert. Die gegenwärtigen Entwicklungen mit gleich mehreren Bio-Supermärkten um die Ecke – was insbesondere für den Laden in der Oderstraße ein Problem darstellt – , dem wachsenden Bio-Sortiment der Discounter und einer inflationsbedingten Teuerung stellen das Wurzelwerk vor eine Situation, in der neue Käufergenerationen und Vereinsmitglieder dringend gesucht sind. Schließlich sind wir auch „Mit 30 noch zu jung zum Sterben“. Es lebe die rote Möhre, die bis heute im Logo des Wurzelwerks lockt!